Schilddrüsenkrebs (Struma) – Wann man die Schilddrüse entfernen muss
Die Operationsindikation für eine Thyreoidektomie (Schilddrüsenentfernung) oder Hemithyreoidektomie (Entfernung eines Schilddrüsenlappens) orientiert sich an den gültigen Leitlinien und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Schilddrüsenkrebs-Forschung. Es gibt sehr viele verschiedene Gründe, wegen denen man eine Schilddrüse entfernen lassen sollte. Dazu zählen eine sehr große Struma (Schilddrüsenvergrößerung oder Kropf), die aufgrund der Größe zu Schluckbeschwerden, Globusgefühl (Kloßgefühl) oder Luftnot mit Stridor (Pfeifen beim Einatmen) führen kann. Gleiches gilt für die Struma multinodosa, die sich durch viele Schilddrüsenknoten und eine Schilddrüsenvergrößerung gekennzeichnet ist. Die Schilddrüsenfunktion kann dabei normal oder gesteigert sein. Ist nur ein Schilddrüsenlappen im Sinne einer einseitigen Struma vergrößert, würde man auch nur diesen Teil der Schilddrüse entfernen. Wenn die Vergrößerung beide Schilddrüsenlappen betrifft und symptomatisch ist, rät man zur Thyreoidektomie, also der vollständigen Schilddrüsenentfernung. Wichtig ist, dass nach Schilddrüsenkrebs und einer Thyreoidektomie lebenslang das Schilddrüsenhormon in Form einer Tablette in ausreichender Dosierung eingenommen wird. Bei einzelnen Knoten in der Schilddrüse, oder einer mäßigen Struma, die keine Beschwerden verursachen, sollten im allgemeinen sonografischen Verlaufskontrollen und ggf. einer Feinnadelaspirationszytologie (sogenannte FNA) der Vorzug gegeben und die Schilddrüse entfernen vermieden werden. Die deutschen Leitlinien zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs und Struma werden momentan durch die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Endokrinologie überarbeitet.
Endokrine Orbitopathie als Indikation für eine Thyreoidektomie
Eine weitere Indikation für eine Thyreoidektomie kann der Morbus Basedow, mit oder ohne endokrine Orbitopathie sein, wenn eine Radioiodtherapie, bei der die Schilddrüse durch Aufnahme von radioaktiven Partikeln zerstört wird, nicht möglich oder erwünscht ist und der Morbus Basedow als therapierefraktär gilt. Auch die endokrine Orbitopathie kann sich nach der Thyreoidektomie klinisch bessern, also eine Symptomabschwächung erfahren. Als sehr wichtig für den klinischen Verlauf der endokrine Orbitopathie beim Morbus Basedow ist eine Nikotinkarenz, auf die wir unsere Patienten, bevor wir die Schilddrüse entfernen, immer hinweisen.
Struma multinodosa – Eine Schilddrüsenvergrößerung mit vielen Knoten
Das Risiko für einen Schilddrüsenkrebs in einer Struma multinodosa, also einer Schilddrüsenvergößerung mit vielen Knoten, beträgt insgesamt ca. 3-5%. Falls die Diagnose eines Schilddrüsenkrebs (Schilddrüsenkarzinom) vor einer Thyreoidektomie bekannt ist, muss man in Abhängigkeit des Schilddrüsenkrebs-Typs sowohl die Schilddrüse entfernen als auch die zugehörigen Lymphknoten. Falls der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs vor der Operation besteht, sollte ein intraoperativer Schnellschnitt (feingewebliche Untersuchung durch einen Pathologen) erfolgen und dann entweder die Operation erweitert oder beendet werden. Dieses Vorgehen wird selbstverständlich vor der Operation besprochen und Ihren individuellen Vorstellungen angepasst. Die meisten Typen des Schilddrüsenkrebs haben bei richtiger chirurgischer Therapie und adjuvanter Radioiodtherapie, falls angezeigt, eine sehr gute Prognose. Beim medullären Typ des Schilddrüsenkrebs ist unter bestimmten Voraussetzungen eine ausgedehntere Lymphknotenausräumung des Halsbereichs (sog. modifizierte Neck dissection) erforderlich, die in unserer Klinik immer unter einem kontinuierlichen intraoperativen Neuromonitoring erfolgt.
Ablauf und Folgen einer Thyreoidektomie im Fall von Schilddrüsenkrebs
Die Thyreoidektomie erfolgt über eine Inzision 1 Querfinger oberhalb der Drosselgrube. Die Inzision (Schnitt) hängt wesentlich von der Größe der Schilddrüse ab: Je größer die Schilddrüse, desto größer die Inzision. Die Schilddrüse entfernen ist in den Händen eines erfahrenen endokrinen Chirurgen ein standardisierter Eingriff mit einem insgesamt sehr niedrigen Risiko für Komplikationen. Wir setzen bei jeder Thyreoidektomie oder Hemithyreodektomie eine Lupenbrille mit bis zu 3,5-facher Vergrößerung ein. Die Gefäße, die die Schilddrüse mit Blut versorgen, werden bei der Entfernung der Struma mit einem modernen Instrument versiegelt (BiClampR), das eine sehr blutarme und übersichtliche Struma-Operation ermöglicht. Die Nebenschilddrüsen werden meist unter Erhalt der Durchblutung belassen oder, falls die Durchblutung gestört ist, im Rahmen der Operation über denselben Schnitt in 1mm große Würfel zerteilt und autotransplantiert. Der Stimmbandnerv wird dargestellt und durch ein sog. Neuromonitoring (elektrische Nervenstimulation) beobachtet, um auch der kleinsten Schädigung vorzubeugen. Nach Entfernung der Struma wird nach der Kontrolle des OP-Gebietes auf Blutung unter Provokation (sog. Valsalva-Manöver) der OP-Zugang mehrschichtig mit resorbierbarem Nahtmatrial verschlossen, um selbst im Rahmen der Schilddrüsenkrebs-Behandlung für Sie das optimale kosmetische Ergebnis zu erzielen. Eine Wunddrainage legen wir zur Vermeidung zusätzlicher Narben am Hals nicht ein. Der Eingriff ist im Durchschnitt mit einem stationären Aufenthalt von 2 Tagen verbunden. Die Stimmlippenkontrolle nach jeder Struma-Operation ist obligat und zur Qualitätskontrolle von enormer Bedeutung. Nach einer Thyreoidektomie werden Sie auf die richtige Menge an Schilddrüsenhormon eingestellt und der Calciumspiegel im Blut kontrolliert.